Wie überlebe ich den Lockdown?

Mein Name ist Michael, ich bin 40 Jahre alt und arbeite in der Verwaltung eines mittelständischen Familienbetriebs. Da ich aufgrund einer chronischen Krankheit als Risikopatient gelte, bin ich schon seit Anfang der Pandemie im Homeoffice. Zuerst konnte ich dem sogar viel Positives abgewinnen. Doch nun habe ich das Gefühl, immer mehr zu vereinsamen. Mittlerweile leide ich unter Einschlafstörungen. Dabei bin ich eigentlich den ganzen Tag müde. Dadurch schaffe mein Arbeitspensum nur mit größter Anstrengung. Wenn das so weitergeht, werde ich noch meine Arbeit verlieren.

Corona erhöht unser Stressniveau

Diese weltweite Krise reißt uns aus unserem gewohnten Leben und bringt uns in Situationen, die wir uns nicht freiwillig ausgesucht haben. Menschen reagieren unterschiedlich darauf. Da sind die Resilienten, sie sehen in ihr eine Chance für Veränderung, suchen nach Möglichkeiten, ihr zu begegnen und wachsen dabei über sich hinaus. Andere wiederum gleichen Don Quijote. Sie wehren sich vehement dagegen, die Tatsachen zu akzeptieren und kämpfen erfolglos gegen Windmühlen. Dann sind da noch die Vogel-Strauß-Typen, die hinnehmen, abwarten und hoffen, dass die Gefahr bald vorbei ist und alles so sein wird, wie vor der Krise. Sie passen sich der Situation nicht an, sondern hadern mit ihr, während sie initiativlos ausharren. Dabei entwickeln sie einen Tunnelblick, an dessen Ende sie nur noch das Problem sehen. Dieses hilflose Sich-ausgesetzt-Fühlen führt sie langsam in eine Depression.

Letzteres, der Vogel-Strauß-Blick, scheint bei Ihnen, Michael, der Fall zu sein. Ihre Symptome – Einschlafstörungen und Antriebsschwäche – sprechen dafür. Um abzuklären, dass die Symptome keine andere Ursache haben, sollten Sie sich als Erstes hausärztlichen Rat suchen.

Wieder ins Handeln kommen

Der Arztbesuch ist bereits Ihr erster Schritt raus aus der Starre. Denn Sie werden in diesem Moment wieder zum Handelnden. Nutzen Sie diese Dynamik und setzen Sie sich weitere Ziele. Diese sollten realistisch und zeitnah zu erreichen sein. Dadurch wird Ihre Motivation weiterhin erhöht, die Dynamik verstärkt – und Sie bewegen sich in einer Aufwärtsspirale, die Sie aus der Depression führt. Denken Sie an die Sachen, die Ihnen vor dem Ausbruch der Pandemie Freude gemacht haben und experimentieren Sie mit Möglichkeiten, um diese Aktivitäten wieder aufzunehmen.

Ein kleiner Impuls: Wenn Sie einen Zauberstab hätten, mit dem Sie zwar nicht die Pandemie wegzaubern, sich sonst jedoch jeden Wunsch erfüllen könnten – wie würde dieser Wunsch aussehen?

Suchen Sie Unterstützung

Manchmal ist die Antriebsschwäche jedoch bereits so groß, dass wir es nicht mehr schaffen uns selbst zu motivieren. Dann sollten wir professionelle Hilfe suchen oder zumindest nahestehende Menschen um Hilfe bitten. Doch Vorsicht, suchen Sie sich kein Gegenüber, das Sie mit Ratschlägen überschwemmt, sondern jemanden, der Sie mit offenen Fragen zum Denken anregt:

  • Was fühlst du gerade?
  • Welches ungestillte Bedürfnis steckt hinter diesem Gefühl?
  • Welche drei Möglichkeiten gibt es, um dieses Bedürfnis zu stillen?
  • Welchen ersten kleinen Schritt könntest du dafür tun?

Während Sie diese Fragen beantworten, befinden Sie sich erneut in der Positivspirale. Sie erzeugen freudige Erwartungen und tricksen so Ihr Gehirn aus. Denn es ist ihm unmöglich, Freude und Angst gleichzeitig zu denken!

Vielleicht fühlen Sie sich, Michael, einsam, weil dahinter ein ungestilltes Bedürfnis nach Liebe, Zuneigung und Teilnahme steckt? Wenn Sie allein leben, müssen Sie sich diese Bedürfnisse außerhalb der Wohnung erfüllen, zum Beispiel an Ihrem Arbeitsplatz. Da Sie in einem Familienbetrieb arbeiten, gehe ich davon aus, dass sich Ihre Kolleg*innen auch in der Freizeit, zum Sport oder zu einem Feierabendbier treffen. In diesen Momenten erleben sie körperliche und emotionale Nähe und ihr Körper schüttet das Bindungshormon Oxytocin aus. Sinkt der Oxitocingehalt im Blut, weil Ihnen diese Kontakte im Moment fehlen, kann dies zu Depressionen und Angststörungen führen.

Neue (online-)Ideen erproben

Für unser Gehirn macht es keinen Unterschied, ob wir positive soziale Interaktionen im gleichen Raum erleben oder auf Distanz. Durch das vermehrte Homeoffice und die hierfür genutzten Medien ist es möglich, auch aus der Ferne unser Bedürfnis nach Nähe zu stillen. Sie müssen nur zum Handy oder Tablet greifen – und der Oxitocinspiegel steigt.

Denken Sie an die Dinge, die Ihnen Spaß machen und überlegen Sie, wie Sie diese online verwirklichen können. Die Fülle von Angeboten ist in den letzten Monaten gewachsen. Von Ballettunterricht über gemeinsames Kochen bis hin zu Diskussionsrunden ist vieles möglich.

Selbst der 70. Geburtstag der Großmutter kann virtuell gefeiert werden!

Corona als Chance

Sie können sich jeden Tag neu entscheiden, ob Sie das Glas halb voll oder halb leer sehen wollen. Die Großmutter eines Freundes hat noch eine weitere Lösung gefunden: Sie schüttet den Inhalt in ein kleineres Glas!

Nutzen Sie die Kontaktbeschränkungen, um Ihr soziales Netzwerk zu erweitern und umzugestalten. Machen Sie sich die Menschen aus Ihrem Familien-, Freundes- und Arbeitskreis bewusst. Schließen Sie auch Ihre Nachbarschaft und entfernte Bekannte mit ein. So absurd es klingen mag, aber im virtuellen Raum sind Distanzen aufgehoben.

Möchten Sie entdecken, wie groß Ihr soziales Netzwerk in Wirklichkeit ist? Hier gehts zum Fragebogen. Viel Spaß beim Erkunden!