Wie reden wir nach der Trennung miteinander?

Wir waren zehn Jahren verheiratet, als vor einem halben Jahr meine Frau Luise eine außereheliche Beziehung zu einem Kollegen hatte. Dies zerrüttete unsere Ehe so sehr, dass selbst die begonnene Paartherapie sie nicht retten konnte. Nach langem Hin und Her sind wir übereingekommen, dass eine endgültige Trennung das Beste für uns ist. Wir können nur schwer miteinander reden, selbst über die Belange unserer Kinder. Können Sie uns helfen?

Paarprobleme entstehen in einem schleichenden Prozess

Außereheliche Beziehungen sind oft der Auslöser für eine Krise, sie sind jedoch nicht die Ursache. Paarprobleme entstehen über Jahre, in einem schleichenden Prozess, der zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Für die einen ist die Krise eine Chance, alte Muster zu unterbrechen und neue, nützlichere aufzubauen. In diesem Fall wirkt sie wie eine Art Erfrischungskur.

Bei anderen potenzieren sich eher die bestehenden Probleme. Misstrauen und Aggressionen werden geschürt – und an dem Partner bzw. der Partnerin können nur noch die negativen Anteile wahrgenommen werden. Beide geraten in eine Dynamik, die die Kommunikation erschwert und oft sogar unmöglich macht.

Nach der Trennung wird nicht alles besser

Entscheiden Sie sich für eine Trennung, verlagert sich oft der Konflikt von der Paarebene auf die Elternebene. Dabei sind Ihre Herausforderungen, um auf der Elternebene zu kooperieren, ähnlich wie sie es auf der Paarebene waren. Sie müssen weiterhin Absprachen treffen und die eigenen Bedürfnisse denen der bzw. des Anderen anpassen. Die Unterschiede in Ihren Lebens- oder Erziehungsstilen werden weiter bestehen, und es braucht auch hier Toleranz und guten Willen, um dies nicht als einen Angriff auf Ihre Person zu bewerten.

Unstimmigkeiten mit dem erweiterten Familiennetz werden sich nicht auflösen. Wenn Sie mit der Schwiegermutter vorher nicht gut auskamen, werden Sie nicht plötzlich beste Freundinnen werden.
Kurzum: Wenn Sie glauben, dass nach der Scheidung alles besser wird, dann muss ich Sie enttäuschen! Aus der Trennungs- und Scheidungsforschung wissen wir, dass es im Durchschnitt zwei Jahre dauert, bis Absprachen und die Kommunikation allgemein besser laufen.

Daher sollten Sie sich über Ihre Erwartungen, die Sie mit einer Trennung verbinden, im Klaren werden, sonst könnte eine Enttäuschung über die Ehe bald zu einer Enttäuschung über die Scheidung werden.
Dies gelingt am besten, wenn alle bereit sind, an sich selbst zu arbeiten und Kompromisse zu finden.

Kommunikationskanäle unbedingt offenhalten

Es gibt Eltern, die besonders zu Anfang der Trennungsphase noch so voller Wut und Trauer sind, dass sie ihrem früheren Partner nur schwer begegnen können. Sie suchen eher die Distanz zu ihm, und oft wird dadurch der Austausch über die Belange der Kinder erschwert. Es gibt jedoch Strategien, wie Sie einerseits die Distanz wahren können und andererseits beide gut informiert bleiben. Nutzen Sie Kurznachrichten wie SMS und Messengerdienste. Auch ein Kommunikationsheft, wie die Kinder es aus der Schule kennen, kann hier hilfreich sein.

Schriftliche Nachrichten haben in dieser Phase der Trennung, in der oft jedes Wort und jede Mimik des Expartners auf die Goldwaage gelegt wird, den Vorteil, dass sie Sie entschleunigen. Sie können den Inhalt gut vorbereiten und kontrollieren, ob Sie auf der Sachebene bleiben und keine versteckten Hiebe austeilen. Sie klammern in dem Moment Ihre Beziehungsebene aus und konzentrieren sich auf Ihr Ziel, wichtige Informationen, die die Kinder betreffen zu erfragen oder mitzuteilen. Ihre Kommunikation wird dadurch eindeutiger, und Sie vermeiden Missverständnisse.

Zu einer guten Kommunikation gehört auch ein aktives Zuhören. Wie hören Sie zu? Mit welchem Ohr hören Sie zu? Nutzen Sie eher Ihr Beziehungsohr, oder können Sie es hin und wieder verschließen und mit Ihrem Sachohr lauschen? Hören Sie bis zum Schluss zu?

Sie bestimmen als Empfänger bzw. als Empfängerin den Inhalt der Nachricht! Jede Aussage, die von unserem Gegenüber gemacht wird, geht durch unseren persönlichen Interpretationsfilter, der sich aufgrund unserer Biografie gebildet hat. Wir geben dem, was wir hören oder lesen, die Bedeutung und können nie sicher sein, ob wir richtig verstanden haben. Deshalb gehört zum aktiven Zuhören auch das aktive Nachfragen und Sich Vergewissern.

Wenn die Kommunikation nicht klappt, kommen – wie Paul und Luise – viele Eltern in meine Praxis. Ich unterstütze sie darin, ihre Situation zu entschärfen. In der Beratung erarbeiten sie Wege, die helfen, ihre Kommunikationskanäle offen zu halten, und lernen Entscheidungen, die die Kinder betreffen, gemeinsam auszuhandeln. Auf diese Weise senden sie den Kindern ein wichtiges Signal: Wir sind zwar als Paar getrennt, werden aber immer eure Eltern bleiben und gemeinsam für euch sorgen.

Tipps in Kürze

  • Finden Sie heraus, wie Sie fortan kommunizieren wollen
  • Halten Sie Ihren Kommunikationskanal offen
  • Beschuldigen Sie sich nicht vor dem Kind
  • Handeln Sie nach dem Grundsatz: Als Paar getrennt, als Eltern vereint